Nicht dass Sie jetzt glauben, es sei eine neue Mode bei den Damen in Sevilla,  sich den Bart wachsen zu lassen. Der  Titel  „La mujer barbuda-die bärtige Frau» gehört zu einem berühmten Gemälde des spanischen Malers José de Ribera (1591-1652).

Der Palast «Casa de Pilatos»

Eine Kopie dieses Gemäldes befindet sich in dem Palast „Casa de Pilatos“ in Sevilla und ist ein Grund mehr, dieses wunderschöne Gebäude zu besichtigen.

Wenn man vor diesem Portrait steht und es sich genauer betrachtet, ist man erstmals erstaunt und verwirrt.

Dargestellt ist ein Ehepaar, die bärtige Frau im Vordergrund und ihr Mann hinter ihr stehend. Die beiden sind nicht aus dem erfinderischen Geist des Malers entstanden sondern lebten wirklich.

Magdalena Ventura

Es handelt sich um Magdalena Ventura und ihr Mann Felice de Amici, die aus den Abruzzen (Italien) stammten. Die bärtige Frau ist also nicht als solche geboren worden, sondern im Alter von 37 Jahren begann die Veränderung ihres Aussehens durch den Bartwuchs, Anfang einer Glatze, und  männliche Gesichtszüge.

Heute weiss man, dass sie unter Hirsutismus leidetet. Es kommt zu einem Anstieg der männlichen Hormonproduktion und dadurch entsteht der Bartwuchs und andere Veränderungen.

Wie kommt dieses Gemälde in den Palast in Sevilla?

Anfang der 17.Jahrhundert war Don Fernando Afán de Ribera y Tellez-Girón, der III. Herzog von Alcalá gleichzeitig Vizekönig von Neapel, dass zu dieser Zeit der spanischen Krone gehörte. Er stammte aus Sevilla und sein Palast war die „Casa de Pilatos“. Das erkärt die Beziehung des Gemäldes mit diesem Palast.

Er war ein grosser Kunstliebhaber und als er von diesem „Naturphenomän“ unterrichtet wurde, lud er das Ehepaar ein, um sie von José de Ribera malen zu lassen.

Wie stellt Ribera die bärtige Frau dar?

Wir sehen, dass Magdalena Ventura im Vordergrund mit ihrem kleinem Baby steht, sie spielt die Hauptrolle, während sich ihr Mann Felice de Amici hinter ihr befindet, fast im Dunkeln, mit einem etwas resignierten Gesichtsausdruck.

Der Hell-Dunkel-Effekt spielt eine grosse Rolle. Ribera beherrscht das Licht perfekt, um die Aufmerksamkeit des Betrachters auf das zu lenken, was wichtig in dieser Darstellung ist.

Magdalena ist 52 Jahre alt, als sie von Ribera gemalt wird. Ob sie mit ihrer Krankheit und in ihrem Alter noch ein Kind bekommen hat oder ob Ribera auf diese Weise ihre weibliche Kondition  klarstellen wollte, ist umstritten. Wie auch immer, der Maler hat sie mit Würde gemalt, in ihren besten Kleidern und nicht wie ein fürchterliches Monster dargestellt.

Auf der rechten Seite des Gemäldes sehen wir zwei Steinplatten mit einer Inschrift, die über dieses Naturwunder informiert. Auf diesen Steinplatten kann man zwei Objekte sehen: eine Handspindel als Symbol der Weiblichkeit und eine Molluske, die den Hermaphroditismus darstellt.

Wenn ich mir den Gesichtsausdruck Magdalena Venturas anschaue, sehe ich eine gewisse Resignation über das Schicksal ihres Lebens aber vielleicht auch ein herausfordener Blick. Sie schaut dem Maler oder uns Betrachter direkt in die Augen, der Bart ist nicht gestuzt oder verborgen, die angehene Glatze wird nicht vertuscht, sie steht so da, wie sie ist oder, besser gesagt, wie sie geworden ist.

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